Corona hat die Menschheit vor eine ganze Anzahl von Problemen gestellt. Das für die Prävention schwerwiegendste: Auch wer noch keine Symptome hat, kann ansteckend sein. «Wenn das nicht wäre, wäre alles viel einfacher», sagt Mathias Wellig, Geschäftsführer von Ubique Innovation – denn man kann sich in aller Regel nicht drei Tage zurück an alle Kontakte erinnern und so Leute warnen, die man unter Umständen angesteckt hat.
Aus dem asiatischen Raum weiss man, dass Tracking und Anweisungen per Handy durchaus dazu beitragen können, drohendes Unheil einzudämmen. Was eigentlich für Naturkatastrophen entwickelt worden war, wurde dort zur Corona-Prävention eingesetzt. Das Problem dabei: die totale Negierung des Datenschutzes.
Es gibt verschiedene Arten von Lokalisierung: Man kann ein Handy und damit seine Besitzerin über Handy-Antennen ausfindig machen, über GPS oder Bluetooth. Mathias Wellig, der den Auftrag aufgrund eines Hackathons bekam, hat dazu eine klare Haltung: «Man muss nicht zwingend auf GPS setzen. Den Ansatz gab es aus dem asiatischen Raum – da werden die Leute permanent überwacht. Wir wollten keine Profile auf einem Server ablegen.» So hat die Swiss Covid App nun auch einen massiven Vorteil: Das System hat keine zentrale Entität. Heisst: Wenn morgen alle die App deinstallieren, ist das System weg.
Zeitgleich mit Ubique arbeitete auch die EPFL und die ETH Zürich an der Thematik. «Bald wurde allen Beteiligten klar, dass wir sehr ähnliche Ansätze verfolgen. Da war es naheliegend, dass wir zusammenarbeiten. Wir hatten die gleichen Ziele. Die ETH machte den technisch-wissenschaftlichen und den epidemiologischen Teil, wir konnten uns auf die Umsetzung konzentrieren. Wir haben dann zwei, drei Wochen Vollgas gegeben. Dann hat der Bund entschieden, dass man für die Zeit nach dem 1. Lockdown Contact Tracing als Massnahme zur Eindämmung der Pandemie einsetzt und man dabei auch auf eine digitale Lösung setzen will. Daraus ist das entstanden, was man jetzt als Swiss Covid App kennt.»
Die Swiss Covid App arbeitet mit Bluetooth. Wellig sagt: «Eigentlich ist Bluetooth Low Energy nicht spezifisch für diesen Zweck gedacht. Wir mussten also ein wenig gegen das System arbeiten, hatten z.B. am Anfang einen sehr hohen Akkuverbrauch.» Dann folgte der Kontakt zu Apple und Google, die in einem wohl historischen Schulterschluss ein Protokoll generierten, damit die Sache funktionierte. Dadurch wurden auch die Batterieprobleme gelöst. Ausserdem konnten Apple und Google von der Vorarbeit der Schweizer profitieren.
Die Vorbehalte der Bevölkerung waren für Wellig ebenso antizipier- wie nachvollziehbar: Niemand wollte überwacht werden. Deshalb lief die ganze Entwicklung ab dem frühestmöglichen Stadium open source: «Wir haben total transparent gearbeitet und versucht, die Bevölkerung wirklich einzubeziehen.» Anschliessend ging die App und deren Einführung ins Parlament, weil es eine gesetzliche Grundlage brauchte. Diese wurde mit 156 Ja-Stimmen gegen nur 22 Nein-Voten und 13 Enthaltungen festgelegt.
Auf dem Peak der Krise hatte die Swiss Covid App rund zwei Millionen aktive Nutzer und Nutzerinnen, zur Zeit sind es noch etwa 1.7 Millionen, weil viele Leute geimpft sind oder bereits Corona hatten Heruntergeladen wurde die App von drei Millionen Nutzern, über 83'000 eingegebene Covid-Codes, also mehr als 227 pro Tag, sind bisher generiert worden.
Natürlich hatte die App auch gegen Widerstände zu kämpfen – nicht umsonst haben rund zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung darauf verzichtet, die App zu installieren. Darunter sind natürlich Kleinkinder und Seniorinnen, aber auch viele, die die Möglichkeit gehabt hätten. Doch verständlicherweise ist der Wunsch nach einem digitalen Warnsystem, das einen bestenfalls unter Hausarrest stellt, nicht bei allen vorhanden. Und dann ist da eben noch die Sache mit dem Datenschutz. Diesen Vorbehalt akzeptiert Mathias Wellig allerdings nur sehr bedingt: «SwissCovid ist von Anfang an mit Privacy by Design umgesetzt – die erhobenen Daten bleiben lokal auf dem Gerät»
Foto: Mike Flam